Zum 25. Todestag von Peter Hamel organisieren wir eine Mahnwache am Tatort sowie einen Infotisch in der Fußgängerzone. An Beidem nehmen ehemalige Weggefährt*innen teil und gedenken Peter.
Redebeitrag zum Gedenken an Peter Hamel am 14. September 2019
Liebe Anwesende
Der Mann Peter Hamel, an den wie heute erinnern wollen, war kein Prediger, des Humanismus, sondern er war einfach ein Mensch, der sich spontan anständig verhalten hat.
Heute jährt sich sein Todestag zum 25. Mal.
Am Abend des 13. September 1994 machten sich drei 20jährige aus dem Landkreis auf den Weg nach Osnabrück, mit der Erwartung, das eine mittelgroße Stadt für Dorfbewohner Vergnügungen besonderer Art bereit hält. Dazu der Gedanke, an einem Ort, an dem einen niemand kennt, könne man sich mehr „leisten“ als zu Hause.
Mit der späteren Aussage, mann habe sich auf den Weg gemacht um „Schwule zu klatschen“ öffnet sich die ganze Giftküche von Vorurteilen und Gewaltbereitschaft: Geplante vorsätzliche Körperverletzung an ihnen völlig Unbekannten.
Bei den Stadtbesuchern handelte es sich fraglos um Exemplare, die nach der Schablone giftiger hegemonialer Männlichkeit sozialisiert worden waren. Unter einem „Richtigen Mann“ verstand man das, was sich heute noch die Propheten und Prophetinnnen des Hasses der AfD und andere Neonazis darunter vorstellen.
Zunächst besuchte man Kneipen und Diskotheken. Beim Trinken hielt sich auch der spätere Täter, der auch der Fahrer der drei war, nicht zurück. Er gab bei der Vernehmung später sogar zu, im betrunkenen Zustand regelmäßig gewalttätig zu werden.
Betrunken sinken die Chancen weibliche Bekanntschaften zu machen beträchtlich, sogar in einem Bordell in Bahnhofsnähe im Zeitungsbericht als „Rotes Haus“ wie bei Remarque bezeichnet, wurden sie abgewiesen. So etwas nährt die Aggressionen, die man durch „Randale machen“ ausleben wollte, noch weiter.
Welche/r je die verbale distanzlose Übergriffigkeit dörflicher und anderer Stammtischgespräche erlebt hat, kennt den Hintergrund. Vieles hat sich mittlerweile verändert, nicht alles zum Besseren.
Auch vor 25 Jahren wurde in vielen Familien durch die Erziehung gegen Vorurteile und die Diffamierung von Minderheiten ein Gegengewicht gesetzt.
Zeitgleich wurde und wird jedoch in vielen Klassenzimmern der Republik im Religionsunterricht, auch gegen die homosexuelle Sünde gepredigt.
Auf Schulhöfen und Fußballplätzen wird „schwul“ heute noch viel offener als vor 25 Jahren zur alltäglichen Beleidigung von Gegnern eingesetzt. Auch Parolen, die zur Gewalt an Schwulen ermutigen, kursieren dort. Diese Sprüche waren und sind die lebenden Gespenster die nach 1945 nicht nur in vielen Köpfen sondern auch in Gesetzestexten, die Nazizeit überlebt haben. Gespenster auf die die Verfolgungspraxis des Staates bis in die 90er Jahre gegründet war, denn der § 175 wurde erst am 11. Juni 1994 abgeschafft.
Dieser Unrat war offensichtlich auch diesen drei 20 jährigen die für den Tod von Peter Hamel verantwortlich waren, gesellschaftlich vermittelt worden, denn im Prozess wurde ausdrücklich festgestellt, sie hätten keinerlei Rechten Hintergrund.
Es erschien ihnen auch so als völlig normal, über die sexuelle Orientierung von Mitmenschen bestimmen und urteilen zu dürfen.
Was war passiert?
Die Täter trafen am Raiffeisenplatz auf zwei Männer, die sie für schwul hielten. Als sie diese angriffen, flohen sie in ihr Auto. Wäre der Angreifer allein gewesen, hätte er sich vermutlich weder an zwei Personen herangewagt, noch die Sache weiter verfolgt, nachdem die beiden sich ihm entzogen hatten.
Es sind in schlimmen Situationen immer die Mitläufer oder Mitläuferinnen, die die Dynamik eines ohnehin schändlichen Tuns, vollends unerträglich werden lassen. Gruppendynamisch geht es immer um Macht. Ein Schläger will nicht nur das Opfer kleinmachen, um sich stark zu fühlen, sondern er will, nach Möglichkeit Zuschauer haben, die ihm Beifall spenden. Zuschauer die ihm versichern, wie stark und mächtig er sich inszeniert hat.
Aus diesem Grund wäre auch im Falle der Gewalt gegen Peter Hamel ohne Publikum die Tat sehr viel wahrscheinlicher schon im Vorfeld versickert:
Da er aber Publikum dabei hatte, gab er keine Ruhe, sondern schlug eine Scheibe des Autos ein.
Durch den Lärm war der zufällig vorbeikommende Peter Hamel aufmerksam geworden, und bot ihnen Paroli. Daraufhin trat das Trio den Rückzug an.
Peter Hamel hielt offensichtlich die Situation für bereinigt und wandte sich ebenfalls zu Gehen.
Hier aber drehte sich der Totschläger auf dem Absatz um. Als er sah, das Hamel ihn nicht mehr beachtete, fiel er mit beispielloser Niedertracht über ihn her und schlug ihm von hinten eine Bierflasche auf den Kopf.
Peter Hamel war durch den Überraschungsangriff von hinten vollkommen wehrlos und stürzte zu Boden. Das nutzte der Schläger aus, um auf Kopf und Körper seines Opfers so lange einzutreten, bis er ihm tödliche Verletzungen beigebracht hatte.
Er entwickelte dabei eine derartige Mordlust, das es den vier anwesenden Zeugen nicht möglich war den Totschläger von seinem Opfer zu trennen, bevor es zu spät war.
Peter Hamel starb in den frühen Morgenstunden des 14. Septembers 1994 an seinen Verletzungn.
Alle, die sich an ihn erinnern, kannten Peter Hamel als freundlichen, hilfsbereiten Menschen von imponierender körperlicher Grösse und Kraft.
Wir erinnern an einen mutigen Menschen, der seine Zivilcourage mit dem Leben bezahlt hat.
Ein Mensch, dessen Schicksal heute ein Vorbild dafür sein könnte, sich zusammenzuschließen um gemeinsam dem Hass gegen Minderheiten entgegenzutreten und so Angriffen nicht allein ausgeliefert zu sein.
Es sind Bereiche wie die alltägliche Schwulenhetze, die den „neuen“ Nazis Auftrieb geben, weil der Schwulenhass von Neonazis kaum von konservativen Vorurteilen unterscheidbar ist.
Gauck und Gauland – beide aus dem gleichen Stall und von ununterscheidbarer Dumpfheit. Wo bleibt der „Aufstand“, wenn die „Anständigen“ sich im Vorurteil mit den Nazis einig sind?
Der Schritt zur Gewalt wird so immer kürzer.
Für den Schritt zur Gegenwehr, den Peter Hamel spontan gegangen ist
müssen wir uns zusammentun um Erfolg zu haben.
Auch Peter Hamel könnte noch leben, wenn er nicht allein gewesen wäre.
Wir erinnern an einen mutigen Menschen!
Es wäre gut, wenn es in unserer Stadt einen ständigen Ort zur Erinnerung an dieses Vorbild geben würde, denn es war schon lange nicht mehr so notwendig wie heute.