Redebeitrag vom 31.8.2022

Am Mittwoch, den 31.8. hielten wir, auf der Kundgebung zum Gedenken an den in Münster getöteten Malte, einen Redebeitrag. Diesen möchten wir an dieser Stelle veröffentlichen:

Am kommenden Mittwoch um 11 Uhr weihen wir an der Heinrich-Heine-Straße ein Mahnmal gegen Homophobie und für Zivilcourage ein und Gedenken damit gleichzeitig an Peter Hamel. Peter wurde 1994, also vor 28 Jahren, getötet als er einschritt, als zwei Menschen aus homophober Motivation angegriffen wurden zeigte Peter Zivilcourage.

Auch wenn uns selbstverständlich bewusst ist, dass homo- bi-, inter oder transphobe Beleidigungen und Übergriffe täglich passieren, hat uns der Vorfall nach dem CSD in Münster, und auch die Übergriffe in Bremen und Dresden von vor wenigen Tagen, aufgrund der zeitlichen Nähe zu der Einweihung sehr bewegt.

Nun sind wir froh, dass wir nach so langer Zeit endlich ein Mahnmal einweihen können und fühlen uns von der Realität brutal eingeholt. Diese Realität macht uns wütend und sprachlos zugleich. Sprachlos deshalb, weil sie zeigt wie verwundbar wir sind und wie schnell es gehen kann, bis jemand von uns nicht mehr da ist. Wütend deshalb, weil sie uns zeigt, wie scheiße diese Gesellschaft eigentlich tatsächlich ist. Wütend deshalb, weil sie uns erneut deutlich gemacht hat wieviele Arschlöcher es auf dieser Welt gibt und wütend deshalb, weil mal wieder ein Mensch sich das Recht herausgenmmen hat über, leider im wahrsten Sinne, unser Leben zu bestimmen.

Was ist das für eine beschissene Gesellschaft in der so ein Hass entsteht?! Unabhängig der eigenen Sozialisation der Täter*innen ist es doch die Mehrheitsgesellschaft, die Politik und sind es die Medien, die diese Taten indirekt oder direkt fördern und/oder ermöglichen. Mit dummen folgenlosen Kommentaren fängt es an, mit der Rhetorik in Parlamenten – und damit meine ich nicht nur die der Afd – geht es weiter und endet schließlich in solchen abscheulichen Momenten. Beflügelt durchs gesellschaftliche Klima fühlen sich die Täter*innen ermutigt, aus Worten Taten folgen zu lassen.

Wir alle gehören zu dieser Gesellschaft – zu diesem System – und, so muss man es sagen: Täter*innen natürlich auch. Doch was sagt eine solche Tat über diese Gesellschaft aus?!
Sie sagt aus, dass sich in den letzten 30 Jahre in diesem Bezug kaum etwas verändert hat. Da helfen keine „prideflags“ auf Toastbrotverpackungen und natürlich auch keine Streifenwagen in Regenbogen Lackierung. Nach wie vor geht es um Fremdbestimmung.

Jemand anderes will darüber entscheiden wen wir lieben dürfen und das zeigen wollen, wie wir aussehen sollen, mit welchem Pronomen wir angesprochen werden, welches Geschlecht wir haben oder wo wir uns aufhalten dürfen.

Ich zitiere aus einem Aufruf von 1994 der Osnabrücker Aids-Hilfe der unmittelbar nach dem Angriff auf die zwei Menschen und der Tötung Peters veröffentlicht wurde. Bitte beachtet dabei die Umstände dieses Aufrufs und die Zeit, in der er geschrieben wurde

Nach dem Totschlag in der Heinrich-Heine-Straße reicht es uns jetzt!
Wir sind nicht länger bereit:
1. Gewalt gegen schwule Männer widerspruchslos hinzunehmen
2. Unvollständige Informationen in Zeitungen zu akz
eptieren

weiter heißt es dort

Wir wollen
1. den Opfern helfen
2. Lernen, uns selbst zu verteidigen
3. Überfälle dokumentieren

Genau darum geht’s. Hoffen wir, dass sich der Schock und die Ohnmacht einigermaßen schnell legt und sich dann in Wut und Widerstand wandelt und etwas in Bewegung kommt. Kämpfen wir dafür, dass niemand vergessen wird und kämpfen wir dafür, dass sich solche Taten nicht wiederholen. Organisieren wir den queeren Selbstschutz.

Malte hat Mut bewiesen und schritt ein, als er die beleidigenden Kommentare eines Außenstehenden vernahm. Ähnlich wie Peter 1994. Uns so wird die Einweihung des Mahnmals, am kommenden Mittwoch, stellvertretend auch für Malte sein. Und für die vielen allen anderen mutigen Menschen die Missstände benennen und einschreiten, wenn es nötig ist.

Ein Angriff auf Einzelne von uns – ist immer auch ein Angriff auf uns alle

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